Gesamtrechnung, Landwirtschaftliche (LGR)

System von Satellitenkonten zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung mit dem Ziel, den landwirtschaftlichen Produktionsprozess und das daraus resultierende Einkommen zu berechnen. Zusätzlich werden Elemente zur Vermögensbildung (Investitionen) und Vermögen (produktives Kapital) ermittelt. Die Landwirtschaftliche Gesamtrechnung (LGR) ist eine wirtschaftliche Synthesestatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS).

Innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) wird lediglich der Produktionsprozess des Agrarsektors stark aggregiert im Produktionskonto der Gesamtwirtschaft dargestellt. Hingegen stellt die Landwirtschaftliche Gesamtrechnung (LGR) eine detaillierte Kontensequenz von der Produktion bis zum Sektoreinkommen dar. Die LGR gibt somit einen makroökonomischen Überblick über die Wirtschaft des Agrarsektors auf nationaler (Schweiz) und regionaler Ebene (die Regionale Landwirtschaftliche Gesamtrechnung (R-LGR) wird vom BFS auf kantonaler Ebene erstellt) und misst den Beitrag der Landwirtschaft zur Volkswirtschaft (bzw. kantonalen Wirtschaft).

Grundlage für die LGR ist die gesetzlich festgelegte Eurostat-Methode (Verordnung (EG) Nr. 138/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Dezember 2003 zur Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung in der Gemeinschaft). Diese Methode ist kompatibel mit dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (ESVG 2010), das die methodische Grundlage der VGR bildet.

Die LGR umfasst im Wesentlichen die gleichen Betriebe wie die landwirtschaftliche Strukturerhebung. Dazu kommen die Sömmerungsbetriebe und die spezialisierten, landwirtschaftlichen Dienstleistungsbetriebe (zum Beispiel Ernte oder künstliche Besamung im Lohnauftrag).
Ausgeschlossen sind in der LGR gartenbauliche Dienstleistungen (Landschaftsgestaltung und -unterhalt, Tätigkeiten die zum tertiären Wirtschaftssektor gehören) sowie die landwirtschaftlichen Aktivitäten der Kleinstbetriebe, die vorwiegend dem Eigenverbrauch dienen. Hingegen ist den produzierenden Gartenbau in der LGR beinhaltet (zum Beispiel Anbau von Baumschulen, Blumen).

Die LGR besteht aus einer Abfolge der drei Konten Produktion, Einkommensentstehung und Unternehmensgewinn sowie aus gewissen Elementen des Vermögensbildungskontos und des Vermögenskontos (produktives Kapital) – siehe Anhang 7.

  1. Das Produktionskonto zeichnet die mit dem Produktionsprozess verbundenen Waren- und Dienstleistungstransaktionen nach.
    Es umfasst auf der Aufkommensseite den Wert sämtlicher landwirtschaftlicher Waren und Dienstleistungen sowie Waren und Dienstleistungen von nicht trennbaren nichtlandwirtschaftlichen Nebentätigkeiten, welche die landwirtschaftlichen Einheiten bereitstellen (Gesamtproduktion); der Produktionswert wird zu Herstellungspreisen ermittelt, d.h. zuzüglich Gütersubventionen (Beispiele: Einzelkulturbeiträge, Zulagen für Verkehrsmilch) und abzüglich Gütersteuer (Beispiel: Mehrwertsteuer).
    Auf der Verwendungsseite des Produktionskonto umfassen die Vorleistungen alle für die Produktion eingesetzten und in deren Verlauf entweder weiterverarbeiteten oder aufgebrauchten Waren und Dienstleistungen; die Vorleistungen werden zu Anschaffungspreisen (abzüglich abziehbare Mehrwertsteuer) ermittelt, also zuzüglich sonstige Gütersteuer (Beispiele: Stempelgebühr, Mineralölsteuer) abzüglich Gütersubventionen (Beispiel: Rückerstattung der Mineralölsteuer).
    Der Saldo des Produktionskontos (Gesamtproduktion abzüglich Vorleistungen) ergibt die Bruttowertschöpfung (BWS). Die BWS im Sinne der LGR und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wird zu Herstellungspreisen ermittelt. Die durch die LGR gemessene BWS entspricht dem Wert, den alle landwirtschaftlichen Einheiten eines Wirtschaftsgebietes (Beispiel: Schweiz) zusammen geschaffen haben. Fasst man die BWS aller Branchen einer nationalen Volkswirtschaft (Schweiz) oder regionalen Volkswirtschaft (Kantone) zusammen, ergibt sich das Bruttoinlandprodukt (BIP, zu Marktpreisen), wobei noch eine Berichtigung nötig ist, um ausgehend von der BWS zu Herstellungspreisen das BIP zu Marktpreisen berechnen zu können: also zuzüglich Gütersteuer abzüglich Gütersubventionen. Der Saldo des Produktionskontos kann brutto oder netto, das heisst vor oder nach Abzug der Abschreibungen ausgewiesen werden.
  2. Das Einkommensentstehungskonto zeigt die Bildung des direkt aus dem Produktionsprozess hervorgehenden Einkommens und dessen Verteilung auf die Arbeitskräfte und den Staat (Sonstige Produktionsabgaben und Sonstige Subventionen).
    Aufkommensseitig umfasst es die Wertschöpfung und sonstige Subventionen (u.a. Direktzahlungen), verwendungsseitig finden sich das Arbeitnehmerentgelt (Bruttolöhne und  gehälter, Sozialbeiträge der Arbeitgeber) sowie die sonstigen Produktionsabgaben (Motorfahrzeug-, Grundsteuern usw.).
    Der Saldo setzt sich aus dem Betriebsüberschuss und dem Selbständigeneinkommen zusammen. (Vom "Betriebsüberschuss" spricht man bei Gesellschaften, öffentliche Betriebe und Verwaltungen, wo sämtliche Arbeit entlohnt wird; dieser Saldo beinhaltet somit kein Arbeitsentgelt mehr. Ein "Selbständigeneinkommen" erwirtschaften produzierende private Haushalte, wo die Selbständigenarbeit nicht entlohnt wird; dieser Saldo beinhaltet somit noch eine Arbeitsentgeltkomponente.) Diese Salden können brutto oder netto, das heisst vor oder nach Abzug der Abschreibungen ausgewiesen werden.
  3. Im Unternehmensgewinnkonto werden die Umverteilungsströme aufgezeichnet, die durch die Vermögenseinkommen erzeugt werden.
    Das Unternehmensgewinnkonto umfasst aufkommensseitig den Saldo des Einkommensentstehungskontos (Betriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen) sowie die Zinsen (vor allem aus Kontokorrentguthaben). Verwendungsseitig werden die Bezahlungen für aufgenommenes Kapital (Schuldzinsen) und gemieteten Boden (Pacht) ermittelt.
    Der Saldo ist der Unternehmensgewinn. Dieser Saldo kann brutto oder netto, das heisst vor oder nach Abzug der Abschreibungen ausgewiesen werden. Der Nettounternehmensgewinn enthält das Entgelt der selbständigen Arbeit. Der Nettounternehmensgewinn, ist in etwa mit dem mikroökonomischen Begriff des landwirtschaftlichen Einkommens vergleichbar.
    In der Schweiz werden vielfach die Begriffe Nettounternehmenseinkommen oder «sektorales Einkommen» als Synonym für den Begriff «Nettounternehmensgewinn» verwendet.
  4. Das Vermögensbildungskonto erfasst für Vermögensgüter, die für den Produktionsprozess des Agrarsektors erforderlich sind, die Änderungen im Bestand (Erwerb minus Veräusserungen bzw. Nettozugang, d.h. Bruttoanlageinvestitionen). Die LGR ermittelt nur Elemente des Vermögensbildungskontos, ohne es zu saldieren.
    Zusätzlich werden die Abschreibungen, die Vorratsveränderungen und die empfangenen Vermögenstransfers (Investitionszuschüsse und sonstige Vermögenstransfers) ermittelt.
  5. Zur Vermögensbilanz wird der Jahresendwert der produzierten nichtfinanziellen Vermögensgüter des landwirtschaftlichen Sektors erfasst, die sich aus den Anlagegütern (ländliche Gebäude ohne Wohnungen, Tiefbau, Bodenverbesserungen, Einrichtungen, Maschinen und Geräte, Nutzviehbestand, Anpflanzungen, Software) und den Vorräten (unfertige Erzeugnisse, Vorleistungsgüter, Fertigerzeugnisse) zusammensetzen.
    Die LGR ermittelt nur Elemente der Vermögensbilanz auf Seite der Aktiva; somit ist der Wert der nichtproduzierten nichtfinanziellen Vermögensgüter (z.B. landwirtschaftliche Nutzfläche bzw. Boden) nicht bewertet, und die Passiva (Verbindlichkeiten) sowie der Saldo (Reinvermögen) nicht ermittelt.

Die LGR wird vom Bundesamt für Statistik (BFS) in Zusammenarbeit mit Agristat erstellt. Die LGR dienen u.a. dem Bundesamt für Landwirtschaft zur Analyse der wirtschaftlichen Situation in der Landwirtschaft (vgl. Verordnung über die Beurteilung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft bzw. Nachhaltigkeitsverordnung SR 919.118).

Quellen: BFS (Gesamtrechnungen und Satellitenkonten des Primärsektors), BFS (LGR Methode), Eurostat 2013 (ESVG2010), Eurostat (LGR)

 

 

Letzte Aktualisierung: 2021
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